Tun und Handeln in Einklang bringen
Thekla Walker im Gespräch: Handel & Gastronomie und die Zukunft der Innenstadt
Die Corona-Krise mit dem mittlerweile zweiten Lockdown fordert auch in Böblingen, Sindelfingen und auf der Schönbuch-Lichtung Gewerbetreibenden in Gastronomie und Handel alles ab. Sie drohen im Wust von Ankündigungen, Hilfspaketen und individuellen Herausforderungen unterzugehen. Unterstützt durch die Expertise von Danyal Bayaz MdB – finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, machte sich Landtagsabgeordnete Thekla Walker am Samstag ein Bild von der aktuellen Situation. Die betroffenen Unternehmer*innen waren durch Andrea Hamann (Easy Sports Schönaich), Dr. Björn Schittenhelm (Alamannen Apotheke Holzgerlingen) sowie Werner Dinkelaker (Schönbuch Braumanufaktur) vertreten.
„Die klaren Leitplanken und die Verlässlichkeit des Staates sind in Deutschland ein klarer Standortvorteil, allerdings ist meine Überzeugung in letzter Zeit etwas ins Wanken geraten“, fasste Werner Dinkelaker, Chef der Böblinger Schönbuch Braumanufaktur die Grundstimmung vieler Unternehmer*innen in Handel und Gastronomie treffend zusammen. „Die Bürokratie kommt etwas holprig rüber und die Liquidität in der Wirtschaft ist endlich“, erklärte der Brauer. Den Auftakt des Gesprächs um die Situation von Handel und Gastronomie im Wahlkreis von Thekla Walker machten dann auch die zähen Mittelflüsse an die gebeutelten Unternehmen. „Wir hängen in der Luft“, bestätigte Andrea Hamann, Inhaberin von Easy Sports in Schönaich. Letzte Woche seien endlich die Dezember-Hilfen ausgezahlt worden, für Januar und Februar ist eine Beantragung noch gar nicht möglich. „An Planen ist nicht zu denken“, sagte die Unternehmerin, die von Ladenräumen in der eigenen Immobilie profitiert.
Insbesondere Unternehmen, die bei den bisherigen Unterstützungshilfen durch Raster fallen, brauchen eine zeitnahe Lösung. „Wir planen ein Härtefall-Paket, also eine Art Härtefallfonds“, berichtete Thekla Walker. Gerade der fiktive Unternehmerlohn, den das Land im Frühjahr aufgelegt hat, sei ein großer Erfolg und hat die Betroffenen entlastet – das Konzept wurde von einigen anderen Bundesländern wie Bayern übernommen. Nun hat der Bundeswirtschaftsminister in Berlin ebenfalls einen solchen Topf angekündigt, doch die Details sind nach wie vor vage. Danyal Bayaz MdB – finanzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag versuchte, die Aktivitäten der letzten Monate einzuordnen: „Leider wurden Erwartungen geweckt, denen die Bundesregierung dann doch nicht gerecht wurde“. Dabei seien hinreichend Gelder vorhanden – von 25 Milliarden Euro bereitgestellter Mittel, seien bisher lediglich zwei bis drei Milliarden abgeflossen. „Die Kriterien sind unklar, das Antragsverfahren kompliziert – für die Akzeptanz der Menschen muss sowas funktionieren“, rügte der Grünen-Politiker. Er hofft nun, dass sich der Härtefall-Fond des Bundes nicht als Luftnummer erweist.
„Es geht nicht ums Ankündigen, sondern ums Machen“, bekräftigte Einzelhändlerin Andrea Hamann. Gerade das Thema Planungssicherheit beschäftigt die lokale Gastronomie intensiv, ergänzte Werner Dinkelaker, der rund 150 Gastronomie-Betriebe in der Region beliefert. Dort haben bisher vor allem unkomplizierte Stundungsvereinbarungen oder Pachtminderungen das Schlimmste verhindert.
Die digitale Transformation des stationären Einzelhandels hin zu einem hybriden Handel vor Ort nahm Dr. Björn Schittenhelm von der Alamannen Apotheke in Holzgerlingen in den Blick: „Wir brauchen nachhaltige Lösungen und eine Unterstützung des örtlichen Handels bei der Digitalisierung“. Dazu gehöre auch, die Beteiligten für die neue Digital-Welt zu befähigen und die digitale Modernisierung des Handels steuerlich zu unterstützen. Doch auch die Unternehmen müssten sich bewegen: „Leider hat der Handel die zweite Corona-Welle zum Teil verstolpert und nach Öffnung der Geschäfte im Sommer die Digitalisierung wieder hintangestellt“, sagt Schittenhelm. Dabei sei ein digitales Angebot nicht zuletzt für die Sichtbarkeit z. B. für Neubürger*innen unverzichtbar.
Dass „Click und Collect“ allerdings nicht in allen Handelsbranchen möglich ist, skizzierte Easy-Chefin Hamann, die Social-Media Kanäle wie Facebook und Instagram routiniert bespielt: „Bei tausenden von Bekleidungsartikeln ist das für uns kleine Fachhändler in der Realität quasi nicht umsetzbar“. Digital-Fan Schittenhelm sucht hier neue Wege: „Um mit Amazon zu konkurrieren, müssen wir ein digitales Schaufenster mit unbegrenzten Öffnungszeiten anbieten.“ Statt die Ware aber per Paketdienst zu bekommen, führt der Weg nach der Bestellung in den örtlichen Handel, so sein Ansatz. Mit der Online-Handels-Plattform „merkando Schönbuch“ will Schittenhelm den Beweis führen, dass ein solches Angebot das Überleben des Handels über die Pandemie hinaus sichern kann: „Wir müssen unsere Geschäftsmodelle neu denken, statt unseren analogen Handel in digitalen Prozessen abbilden zu wollen“.
Aus Sicht von Thekla Walker der richtige Ansatz: „Die Frage wie wir die Städte auch nach der Pandemie lebenswert halten, ist eine große Aufgabe für uns in der Landespolitik, es gibt eine Menge zu tun“, bekannte sich die Finanzpolitikerin zu einer lebendigen Innenstadt. Die Fraktion der Grünen im Landtags BW ist gerade dabei, ein entsprechendes Konzept aufzusetzen. Nun liegt es am 14. März an den Wähler*innen, die Grundlage zu schaffen, dass dieses Grüne „Wiederaufbau-Programm Innenstadt“ zum Zuge kommt.
Das Fazit des intensiven Gesprächs sind für Thekla Walker Gegensatz-Paare, die doch eng zusammengehören: „Handel und Gastronomie gemeinsam fördern. Viel reden und vor allem machen. Online und vor Ort agieren“. Statt Entweder-Oder müssten Handel und Gastronomie künftig auf Sowohl-als-auch setzen und ihr stationäres Geschäft mit geeigneten Internet-Angeboten verbinden. Die Stadt ist für Walker ein Ort der Begegnung und des sozialen Lebens: „Und lebendige Städte gibt es nur mit einem lebendigen Handel und einer attraktiven Gastronomie.“